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Prof. Dr. med. Jürgen Wendler, Emeritus für Phoniatrie der Berliner Charité, ist am 5. März 2025 im Alter von 95 Jahren verstorben. Er gilt als Nestor der Phoniatrie in Deutschland und war über Jahrzehnte weltweit hochgeschätzter Repräsentant des Fachgebietes.
Jürgen Wendler wurde am 27. Januar 1930 in Dresden geboren. Er studierte Humanmedizin an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, wo er 1954 auch seine Promotion abschloss. Nach einer ersten Tätigkeit als HNO-Arzt in Berlin wurde er an der Universitätsklinik Halle bei Prof. Wolfgang Pfau zum Phoniater weitergebildet. Von 1963 bis 1969 gründete und leitete er die Phoniatrische Abteilung am Krankenhaus Prenzlauer Berg in Berlin, unterbrochen von einem Studienaufenthalt im Jahr 1965 an der Phoniatrischen Universitätsklinik bei Prof. Miloslav Seeman in Prag. 1969 habilitierte er sich an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
Im Jahr 1969 übernahm er die 1905 von Hermann Gutzmann sen. gegründete Phoniatrie an der Berliner Charité, die er bis 1995 leitete und zu neuer Blüte führte. 1978 ging er für einen Studienaufenthalt zu Prof. Harry Hollien an die University of Florida. 1982 wurde Prof. Wendler zum ordentlichen Professor bestellt und, nach der Wiedervereinigung Deutschlands, 1993 auf den C4-Lehrstuhl für Phoniatrie an der Berliner Charité berufen.
Jürgen Wendler wirkte als Schatzmeister und später Generalsekretär der Union der Europäischen Phoniater von 1973 bis 1992. In dieser Funktion machte er das Fach international bekannt. Er war unter anderem Gründungsmitglied der European Academy of Phoniatrics und der International Association of TransVoice Surgeons und über viele Jahre Vorstandsmitglied in zahlreichen internationalen Organisationen der Phoniatrie. Über 300 Publikationen, überwiegend zum Thema Stimme und Phonochirurgie, belegen sein herausragendes wissenschaftliches Oeuvre. Er war einer der Pioniere für die Entwicklung der Phonochirurgie und der erste Chirurg, der Ende der achtziger Jahre stimmerhöhende Operationen bei Transfrauen durchführte. Dieser Eingriff stellt noch heute die Standardoperation zur Stimmfeminisierung dar und ist unter dem Begriff „Wendler-Glottoplastik“ weltweit bekannt. Zwölf internationale Gesellschaften würdigten sein herausragendes Lebenswerk mit einer Ehrenmitgliedschaft.
Jürgen Wendler war Vorbild für mehrere Generationen von Phoniatern in Deutschland und Europa. Sein enormes Wissen und ärztliches Können, seine rhetorische Brillanz, sein berufspolitisches Engagement für die Phoniatrie aber auch sein Humor haben uns inspiriert und auf unserem beruflichen Weg gefördert und geprägt. Dafür sind wir ihm mit großer Dankbarbarkeit verbunden. Wir werden ihm ein ehrendes Gedenken bewahren.
Dirk Mürbe und Tadeus Nawka, Berlin