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Was sind evozierte Potentiale?

Nach einem kurzen Schallreiz wird die elektrische Aktivität des Hörnerven und des Gehirns für eine gewisse Zeit verändert. Die Spannungsänderung kann an der Kopfhaut mit Elektroden gemessen werden, ähnlich wie die Herzströme beim EKG. Man spricht von der ERA, d.h. Elektrische Reaktionsaudiometrie, oder auch von AEP („auditorisch evozierte Potentiale“).

Je nach dem Zeitpunkt des Auftretens nach dem Schallreiz werden frühe, mittlere und späte Spannungsschwankungen („Potentiale“) unterschieden. Für Höruntersuchungen haben im wesentlichen nur die frühen und selten die späten Potentiale eine Bedeutung. Die Messung der frühen Potentiale heißt abgekürzt BERA, die der späten CERA. Beide Verfahren sind insofern objektive Hörtests, als sie nicht auf die aktive Mitarbeit der untersuchten Person angewiesen sind. Die BERA kann auch im Schlaf oder in Narkose gemessen werden. Dies ist besonders günstig für die Untersuchung von Säuglingen und Kleinkindern, bei denen die Ergebnisse „normaler“ subjektiver Hörtests vom individuellen Entwicklungsalter abhängen, das manchmal nicht genau gekannt ist. Die Gesamtuntersuchungszeit beträgt etwa 45 Minuten. Die BERA und CERA ist für die untersuchte Person nicht schmerzhaft.

Bei der ERA-Untersuchung werden Schallreize unterschiedlicher Lautstärke über einen Kopfhörer vorgespielt. Die Spannungsschwankungen des Gehirns sind von der Lautstärke des Schallreizes abhängig. Sie können bis nahe an die Hörschwelle gemessen werden, d.h. sie erlauben eine sehr sichere Abschätzung der Hörschwelle. Allerdings: die Potentialschwelle ist nicht identisch der der Hörschwelle, jedoch: sie kommt ihr meistens sehr nahe! Und es gibt noch eine Schwierigkeit der ERA, gerade bei Säuglingen und Kleinkindern: Aus bestimmten methodischen Gründen kann aus fehlenden Potentialen aber nicht geschlossen werden, daß das untersuchte Ohr „taub“ ist! Die Interpretation der ERA bei Kindern sollte deshalb durch erfahrene Fachärzte erfolgen.

Meist wird die BERA mit Klickreizen durchgeführt. Ein methodischer Nachteil der BERA mit Klickreizen ist die eingeschränkte Tonhöhenspezifität, d.h. daß das Hörvermögen im wesentlichen nur „im Ganzen“ abgeschätzt werden kann. Mit der Verwendung von Tonreizen bei BERA oder CERA hingegen können die Potentiale tonhöhenspezifisch untersucht werden; die BERA ist im Wachzustand, im Schlaf und in Narkose ableitbar, die CERA ist nur im Wachzustand ableitbar.

Die CERA bietet den Vorteil, daß auch höhere Funktionen des Hörvermögens untersucht werden können, z.B. bestimmte Aspekte bei Sprachverständnis- und Wahrnehmungsstörungen. Diese Fragestellungen werden in spezialisierten Abteilungen für Phoniatrie und Pädaudiologie beantwortet. Insgesamt haben die evozierten Potentiale bei der objektiven Untersuchung des Hörvermögens und des Sprachverstehens einen so hohen Stellenwert, daß sie in der Phoniatrie und Pädaudiologie zur Routinediagnostik gehören.

(F. Rosanowski)