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Was bedeutet ‚Lispeln‘ und wie kann man es behandeln?

Unter Lispeln (Sigmatismus) versteht man eine isolierte Störung der Aussprache von s-Lauten und deren Lautverbindungen (z.B. s, sp, st, spr, u.s.w.). Ein isolierter Sigmatismus führt in der Regel nicht zu einer Kommunikationsbehinderung, die z.B. einer Einschulung in eine normale Grundschule entgegenstehen würde.

Das Erlernen der Aussprache von s-Lauten gilt als besonders schwierig. Deshalb werden diese Lauten bei einigen Kindern auch erst sehr spät, im 6. oder 7. Lebensjahr, erworben. Wenn sonst keine weiteren Erkrankungen oder Sprachstörungen vorliegen, kann man mit einer Behandlung bis zum Zeitpunkt nach dem Frontzahnwechsel abwarten. Warum? Ganz einfach: Viele Kinder erlernen die s-Laute selbständing, ohne Sprachtherapie, wenn die bleibenden Zähne im Frontzahnbereich durchgebrochen sind. Außerdem hat man die Beobachtung gemacht, daß Kinder, die vor dem Frontzahnwechsel Übungstherapie erhalten haben, zum Zahnwechsel wiederum einen Sigmatismus entwickelten, so daß die Übungstherapie wiederholt werden mußte. Deshalb kann man bis zum vollzogenen Frontzahnwechsel mit einer Übungstherapie abwarten.

Beim Vorliegen eines Sigmatismus sollten aber unbedingt mögliche Ursachen abgeprüft werden:

– Beidseitige Hochtonschwerhörigkeiten. Die für s-Laute relevanten Frequenzen liegen im Bereich oberhalb von 4000 Hz. Schwerhörigkeiten in diesem Frequenzbereich bedeuten für Kinder, daß sie die s-Laute der angebotenen Sprache nicht richtig hören und deshalb auch nicht korrekt imitieren kann, zumal si die eigene Sprachproduktion auch nicht richtig hören. Die Kinder sprechen die s-Laute dann so, wie sie sie hören: entweder ersetzt durch andere Laute, wie z.B. f; oder sie sprechen ein „strumpfes“, sog. „addental“ gebildetes s.

– Mundmototische Entwicklungsstörungen. Die Bewegungen der Zunge und des Kiefers für das Sprechen der s-Laute sind sehr schwierig und kompliziert. Sie erfordern eine gute mundmotorische Koordination. Kinder mit gestörtem Mundschluß, einer gestörten Zungenruhelage (z.B. zwischen den Frontzähnen bei geöffnetem Kiefer) oder gestörtem Schlucken (z.B. auch mit Speichelfluß bzw. „Sabbern“) haben häufig auch einen Sigmatismus, evtl. zusammen mit anderen Sprech- und Sprachstörungen. Die Mundmotorik sollte dann in schweren Fällen schon im Vorschulalter geübt werden (z.B. durch Logopäden). Leichte Fälle können nach dem Frontzahnwechsel behandelt werden. Für die Fälle, die Im Schulalter behandelt werden sollen, hat sich die sog. Myofunktionelle Therapie nach Garliner (engl., sprich: Garleiner) weltweit durchgesetzt. Fragen Sie Ihren Phoniater und Pädaudiologen, ob diese Therapie bei Ihrem Kind in Frage kommt.

In einigen Fällen werden die mundmotorische Entwicklungsstörungen durch schlechte Angewohnheiten (sog. Habits, eng., sprich: Häbbits) hervorgerufen und aufrechterhalten. Habits sind z.B. Daumenlutschen oder der (übermäßige) Gebrauch des Schnullers. Beides muß dann dringend abgewöhnt werden! Wenn Sie wissen möchten, wie man dies bei Ihrem Kind am besten schafft, sprechen Sie bitte mit Ihrem Phoniater und Pädaudiologen.

(R. Schönweiler)