Wissensartikel
Was bedeuten Paukenergüsse, eine vergrößerte Rachenmandel (Polypen) und Paukenröhrchen für mein Kind?
Unter einem Paukenerguß versteht man eine Schleimbildung in der Paukenhöhle des Mittelohres. Es handelt sich gewissermaßen einen „Schnupfen im Mittelohr“. Er entsteht bei Erkältungen, oft beidseitig oder wechselseitig (mal rechts, mal links, mal beidseitig) und besonders dann, wenn Ihr Kind zusätzlich eine vergrößerte Rachenmandel hat („Polypen“, „Wucherungen“). Dies kommt bei Kindern unter 6 Jahren sehr häufig vor: etwa 15-25% aller Kinder weltweit sind davon betroffen! Paukenergüsse bewirken eine Dämpfung der Trommelfellschwingungen und damit sog. „geringgradige Schwerhörigkeiten“ (etwa 30 dB).
Bevor solche Paukenergüsse auftreten, kann der Hals-Nasen-Ohrenarzt oder der Kinderarzt sog. Belüftungsstörungen im Mittelohr feststellen. Auch sie bewirken eine Dämpfung des Schalls, allerdings etwas geringer (etwa 20 dB).
Sie als Eltern können diese leichten Mittelohrschwerhörigkeiten nicht ohne weiteres selbst feststellen. Eventuell beobachten Sie ein umaufmerksames Verhalten Ihres Kindes, ein „Nicht-hören-wollen“ (eigentlich ein Nicht-hören-können!). Eventuell macht Ihr Kind auch akute Mittelohrentzündungen durch.
Für Ihr Kind bedeuten geringgradige Schwerhörigkeiten, daß z.B. wichtige Konsonanten und ungetonte Silben der Sprache nicht immer richtig gehört werden: die Kontinuität des Hörens und das Langzeithörvermögen sind gestört, die Jahreshörbilanz ist eingeschränkt. Die kann zu Störungen der Aussprache (Dyslalie), der Grammatik (Dysgrammatismus) oder zu Einschränkungen beim Wortschatz führen. Bei etwa 50% aller Kinder mit Sprech- und Sprachentwicklungsstörungen können solche geringgradigen, oft wechselnden und wechselseitigen Mittelohrschwerhörigkeiten festgestellt werden!
Neu aufgetretene Paukenergüsse lassen sich oft mit abschwellenden Nasentropfen, eventuell auch mit schleimlösenden Medikamenten, beseitigen. Hilft dies nicht dauerhaft, besteht die Möglichkeit, die Rachenmandel operativ entfernen zu lassen (sog. Adenotomie, jedoch nicht beim Vorliegen einer Gaumenspalte!). Gleichzeitig kann ein Trommelfellschnitt durchgeführt und eventuell vorhandener Schleim abgesaugt werden (sog. Paracentese). Diese Eingriffe können durch Hals-Nasen-Ohrenärzte, meist ambulant, durchgeführt werden. Von außen sichtbare Narben entstehen dabei nicht.
Sprech- und sprachgestörte Kinder haben oft zusätzlich mundmotorische Störungen, die dafür sorgen, daß die Belüftung des Mittelohres allein mit Adenotomie und Paracentese nicht verbessert werden kann. Besonders häufig trifft dies für Kinder mit Syndromen (z.B. Trisomie 21, Morbus Down) und Kinder mit Gaumenspalten zu. Deshalb brauchen diese Kinder häufig zusätzlich sog. Paukenröhrchen. Dies sind etwa 1,5 mm „kleine“ Metall- oder Kunststoffröhrchen, die in den Trommelfellschnitt eingesetzt werden. Sie können dort ein halbes oder ein Jahr verbleiben und werden dann vom Körper meist von selbst abgestoßen. Viele Eltern sind erstaunt, wie aufmerksam zuvor mittelohrschwerhörige Kinder zuhören können und wie positiv die Sprachentwicklung verläuft, nachdem für ein kontinuierlich gutes Hören gesorgt wurde!
(R. Schönweiler)