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Was passiert beim Stimmwechsel? Was ist dabei für Kinder mit einer erhöhten stimmlichen Belastung (Kinder- und Jugendchöre, etc.) wichtig?

Der Stimmwechsel (Fachbegriff: „Mutation“) ist ein normaler Abschnitt in der Entwicklung der kindlichen Stimme. Während man vor dem Stimmwechsel die Stimmen der Jungen nicht von denen der Mädchen unterscheiden kann, sprechen und singen die jungen Männer nach der Mutation deutlich tiefer als die Frauen. Das liegt an einem unterschiedlich starken Wachstum des Kehlkopfes, welches in die allgemeine Körperentwicklung während der Pubertät eingegliedert ist und von Hormonen gesteuert wird. Bei den jungen Männern tritt dabei häufig der vordere Anteil des Kehlkopfes am Hals als „Adamsapfel“ hervor. Für die Höhe der Stimme ist die Länge der Stimmlippen verantwortlich, die bei den Knaben um ca. 10 mm, bei den Mädchen nur um ca. 3-4 mm zunimmt. Deswegen sinkt die sogenannte mittlere Sprechstimmlage, also der Tonhöhenbereich beim normalen Sprechen, beim männlichen Geschlecht um ca. eine Oktave, beim weiblichen um ca. eine Terz ab. Das gilt auch für den gesamten Tonhöhenumfang, also für den Bereich zwischen dem höchst- und tiefstmöglichen Ton, was dazu führt, dass Frauen in den hohen Stimmgattungen (Sopran, Mezzosopran und Alt) und Männer in den tiefen Stimmgattungen (Tenor, Bariton und Baß) singen.

Der Stimmwechsel beginnt oft im 12 oder 13. Lebensjahr, durch die allgemeine Verfrühung der Entwicklung können erste Anzeichen aber auch schon im 9. Lebensjahr auftreten. Während die Mädchen ihren Stimmwechsel oft nicht bemerken, macht er sich bei Jungen oft durch einen heiseren und rauen Stimmklang und durch eine geringere Belastbarkeit bemerkbar, was manchmal von einem unwillkürlichen Überschlagen und Hin-und-Herkippeln der Stimme („Stimmbruch“) begleitet sein kann. Die durchschnittliche Dauer des Stimmwechsels bei Knaben liegt etwa bei 9 Monaten und kann zwischen 6 und 24 Monaten schwanken. Bei Mädchen läuft das geringere Kehlkopfwachstum schneller ab und ist nur selten von einer Einschränkung der Stimmleistung begleitet.

Bis zum Abschluss dieser Entwicklungsphase ist es erforderlich, das sehr empfindliche Zusammenspiel zwischen den heranwachsenden Strukturen des Kehlkopfes (Muskeln, Schleimhaut, ect.; Steuerung durch Nerven) und den anderen Teilen des Stimmapparates (Lunge, Resonanzräume des Halses und des Kopfes) ständig neu zu erlernen. Am Ende der Mutation stabilisieren sich diese Verhältnisse, die Belastbarkeit der Stimme steigt wieder und vor allem die jungen Männer müssen die neue Stimmlage als Teil Ihrer Persönlichkeit akzeptieren.

Störungen des normalen Ablaufs

In diesem Entwicklungsabschnitt der kindlichen Stimme können aus verschiedenen Gründen Probleme auftreten. Einerseits kann der zeitliche Ablauf gestört sein: es kann zu einem verfrühten oder verspäteten Stimmwechsel oder zum Ausbleiben der Mutation kommen. Andererseits kann das Absinken der Sprechstimmlage und des Tonhöhenumfanges im Vergleich zur normalen Entwicklung vermindert oder zu stark ausgeprägt sein. Die Folgen sind unnormal hohe Stimmen bei Männern oder außergewöhnlich tiefe Stimmen bei Frauen. Die Behandlung richtet sich nach der Ursache (z.B. Störungen im Hormonhaushalt, psychische Faktoren) und erfolgt in erster Linie durch eine Stimmübungstherapie. Bei ausbleibenden Erfolg besteht die Möglichkeit einer Operation zur Veränderung der Sprechstimmlage. In seltenen Fällen ist eine Hormonbehandlung erforderlich.

Kinder mit erhöhter stimmlicher Belastung

Kinder, die regelmäßig in Chören oder solistisch singen oder auch im Theater Sprechpartien übernehmen, haben eine erhöhte stimmliche Belastung. Bei diesen Mädchen und Jungen ist insbesondere während des Stimmwechsels eine Betreuung durch einen Gesangspädagogen und Stimmarzt erforderlich, um Stimmstörungen zu vermeiden, die durch eine Überbelastung während der Wachstumsphase des Kehlkopfes entstehen können. Chorleiter, Stimmbildner und Phoniater sind sich heute weitgehend darüber einig, dass die jungen Sänger während der Mutation nicht aktiv an der Chorarbeit (Proben, Konzerte) teilnehmen sollten, was jedoch eine individuelle Stimmbildung nicht ausschließt. Die Dauer dieser Übungen sollte 10 bis 15 Minuten betragen und kann zwei- bis dreimal wöchentlich erfolgen. Dabei sollten in erster Linie Vokalisen geübt werden, welche die Stimmumfangsgrenzen nicht erreichen und bei denen sich der Sänger wohlfühlt. Dabei ist eine regelmäßige Kontrolle durch den Stimmarzt empfehlenswert.

Da sich die Veränderungen beim Stimmwechsel nicht sprunghaft vollziehen und jedes Kind seine körperliche Entwicklung zu einem anderen Zeitpunkt durchlebt, ist es häufig ein besonderes Problem, den Beginn des Stimmwechsels rechtzeitig zu erkennen und damit das zu lange Singen „in die Mutation hinein“ zu vermeiden. Gerade in den Knabenchören sind es die Kinder unmittelbar vor dem Stimmwechsel („Prämutation“), die sich durch einen für die Kinderstimme oft maximalen Stimmumfang und durch eine besonders klangschöne Stimme, verbunden mit einer längeren musikalischen Erfahrung gegenüber ihren jüngeren „Sängerkollegen“ auszeichnen. In einer engen Zusammenarbeit mit dem Gesangspädagogen kann der Phoniater durch eine Kehlkopf-Spiegeluntersuchung, ggf. kombiniert durch die Bestimmung von Stimmleistungsparametern (Tonhaltedauer, Stimmfeld) und Hormonuntersuchungen im Blut (Testosteron), den Stimmwechsel feststellen oder sogar die verbleibende Zeit bis zum Mutationsbeginn vorhersagen. Das kann wiederum dem Chorleiter wertvolle Hinweise für die Besetzung seiner Chormitglieder geben.

(M. Fuchs, W. Behrend)