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Sind Rauchen und Alkohol für die Stimmfunktion schädlich?

Wer raucht und/oder Alkohol trinkt, muss mit Einbußen in der Stimmgebung rechnen!

Rauch von Zigaretten enthält schädliche Partikel, die sich entzündlich auf die Schleimhäute auswirken. Nicht nur die Atmung oder der Atemtrakt werden dadurch beeinflusst, nicht nur die Durchblutung oder der Blutdruck, der Rauch wirkt sich auf die Schleimhäute des Kehlkopfes in besonderer Weise aus: Es kommt dann häufig zur Ansammlung von entzündlichem Sekret zwischen der schwingenden Schleimhaut, die sich beim Töne-Erzeugen, das heißt bei der Stimmgebung, frei bewegen kann. Dieses Phänomen betrifft oft Frauen mittleren bis gehobenen Alters, und die Kehlkopferkrankung mit den oedematös aufgetriebenen Stimmlippen nennt man Reinke-Oedem.

Bei Männern und auch bei Frauen findet sich häufig ein Zusammenhang zwischen Kehlkopfkrebs und Rauchen. Die Schleimhäute der Patienten werden ebenfalls ständig gereizt und verändern sich schließlich derart, dass es zu einer Entartung – das heißt zu einer bösartigen Veränderung – der „unter Stress stehenden“ Schleimhaut kommt. Nicht selten haben Patienten mit Kehlkopfkrebs auch eine Vorgeschichte mit scharfen alkoholischen Getränken und/oder mit schlechter Mundhygiene (angegriffene Zähne).

Wichtig ist, dass sich Patienten mit einer Heiserkeit von mehr als zehn Tagen Dauer unbedingt zu einem Hals- Nasen- Ohrenarzt oder zu einem Phoniater und Pädaudiologen – dies bedeutet zu einem Stimmarzt – begeben müssen.

Alkohol hemmt ein Hormon, das die Wasserausscheidung bremsen soll, weshalb der, der Alkohol zu sich nimmt, vermehrt Wasser ausscheidet. Viele kennen das Phaenomen des „Nachdursts“ am Morgen nach Alkoholgenuss. Durch den Verlust von Wasser, die ätzende Wirkung von Alkohol und durch die Verringerung von Flüssigkeit in unserem Körper werden die Schleimhäute um so mehr gereizt und können anschwellen. Wenn dann noch stimmliche Anstrengungen wie Gesang, gar Gegröle oder nur Stimmbelastung gegen Störlärm erfolgen, so kommt es zu einem Verlust von Geschmeidigkeit bei der Stimmlippenschleimhaut über dem Stimmbandmuskel im Zuge der Stimmgebung. Dies hat oft eine Entzündung der Schleimhaut der Stimmlippen zur Folge, ähnlich der Entzündung, deren Ursache jeder Laie erkennt, nämlich die des geröteten, weil zu stark geriebenen Auges – die Konsequenz ist hier der mitunter im Volksmund als „Säuferstimme“ bezeichnete Stimmklang.

Alkohol hemmt nicht nur das antidiuretische Hormon, sondern auch das gesamte zentrale Nervensystem, und so können alkoholisierte Patienten auch nicht mehr adäquat über das Gehör ihre Stimme „stimmen“, eine Fähigkeit, über die alle normalhörigen Menschen verfügen.

Auch Spannung, Haltung, Atmung und damit die Dosierung des subglottischen Anblasedrucks, was soviel bedeutet wie Luftdruck unter dem schwingenden Organ „Stimme“, und auch die Artikulation „stimmen“ unter Alkoholeinfluss nicht mehr. Es sind dies ja alles Faktoren, die sich auf die richtige und überzeugende Stimmgebung unmittelbar auswirken – man denke an eine swingende Soulsängerin, an die aufrechte Haltung eines redlichen und seriösen Folkloresängers (Jodler, die Sänger zum Tanz des Flamenco etc.) oder an den professionellen Rezitator. Wie anders klingen uns dagegen vor dem geistigen Ohr die Töne eines Betrunkenen, dessen Gangbild durch die toxische Wirkung des Alkohols auf die Gleichgewichtsorgane derangiert ist, und der bis über den Sturz hinaus deshalb all die oben genannten Funktionen nicht mehr unter Kontrolle hat.

Nicht jeder Patient mit Kehlkopfkrebs hat getrunken oder geraucht, aber auch nicht jede länger dauernde Heiserkeit ist Kehlkopfkrebs – es gibt noch hinreichend viele andere Kehlkopferkrankungen, die eine hartnäckige Heiserkeit verursachen. Sollte ein Mann oder eine Frau jedoch an Kehlkopfkrebs erkrankt sein, so bedeutet das auch nicht automatisch eine Verkürzung des Lebenserwartung. Die heutigen Behandlungsmöglichkeiten und Heilungschancen sind gut – in jedem Fall besser als zu Zeiten Wilhelms I oder Giacomo Puccinis.

(N. Graf von Waldersee, M. Hess)